Für das Apsisbild in der Oberkirche von Herz Jesu Wiedikon wählte der Maler Felix Baumhauer in den 1920er-Jahren eine Darstellung der christlichen Dreieinigkeit. Zu diesem Bild gibt es viele spannende Fragen. Die meistgestellte Frage jedoch ist: Warum schaut Gottvater so böse? Dieser Frage möchte ich an dieser Stelle nachgehen. Teil 2 der Betrachtung des Apsisbildes. Von Stefanie Faccani, Kunsthistorikerin lic. phil. und Katechetin Das christliche Verständnis von Gott ist gestützt auf die Bibel und ist ein Verständnis von Beziehung: drei Wesenheiten, Gottvater, Gottessohn und der Heilige Geist sind in engster Beziehung miteinander und bilden zusammen Eins, Gott. Aber nicht nur stehen sie untereinander in einer Beziehung, sondern sie verbinden sich auch mit uns Menschen und allen Geschöpfen auf der Welt und der Welt selbst. So wird Gottvater doch als Schöpfer der Welt verstanden und Gottessohn als menschgewordener Gott, um als Mensch den Menschen zu begegnen. Der Heilige Geist ist ständiger Wegbegleiter, der das unsichtbare Geistige von Gottvater und des Auferstandenen in einer dritten Wesenheit vertritt. Gottvater, Gottessohn, der Heilige Geist und die Betrachtenden Mit diesem Verständnis malte Felix Baumhauer (1876–1960) Gottvater, Gottessohn und den Heiligen Geist auch nicht losgelöst von der Welt, sondern das Kreuz des Gekreuzigten steht auf einem Grund, auf dem sich menschliche Figuren in einer Reihe befinden. Sie stellen verschiedene Persönlichkeiten dar, biblische und solche aus späterer Zeit. Es sind Personen mit besonderem Stellenwert im christlich-katholischen Verständnis: Es sind Heilige, mit einem Heiligenschein ausgezeichnet, mit Ausnahme des römischen Armeeangehörigen, der auch in mittelalterlicher Bildtradition am kleinsten dargestellt ist und so die kleinste Wichtigkeit in diesem Geschehen verkörpert. Die Figuren der Heiligen sollen Beispiele sein mit ihrer Lebensgeschichte in ihrer Treue zu ihrem Glauben an Gott. Beispiele für wen? Felix Baumhauer malte eine dunkelblaue Zone, die sich vom Scheitelpunkt in der Figur Gottvaters in Dreiecksform zum Grund, auf welchem die Heiligenfiguren stehen, ausbreitet. Wird diese Form weitergedacht, weitet sich diese Zone in den Kirchenraum aus und die Kirchenbesucher werden Teil des Apsisbildes, Teil des Geschehens. Die Kirchen- und Gottesdienstbesucher und -besucherinnen sind auch wirklich Teil des abgebildeten Geschehens, da in jeder Eucharistiefeier daran gedacht wird, dass Jesus gestorben, gekreuzigt, begraben und auferstanden ist und durch Gottvater in den Himmel aufgenommen wurde. Ebenfalls wird an den Heiligen Geist erinnert, der Wegbegleiter der christlichen Gläubigen ist in der Hoffnung ihrer Auferstehung nach dem Vorbild der Heiligen und Jesus Christus selbst. Eine Frage löst weitere Fragen aus Aber warum schaut die Figur von Gottvater so böse? Man stelle sich vor, man wäre Teil des Geschehens im Bild. Da ist ein Mann, etwa 30 bis 35 Jahre alt, ans Kreuz genagelt, gefoltert, von der herrschenden Militärmacht zum grausamen Tod verurteilt. Menschen, die dem Gekreuzigten nahestanden, mussten tatenlos zuschauen. Genau wie wir, die wir vor der Apsis stehen. Auch der Vater des Gekreuzigten ist dabei. Vater und Sohn lieben einander und sind sich innig verbunden. Der Sohn ist unschuldig verurteilt, gefoltert, gemartert. Der Vater schaut sorgenvoll, zornig. Was sind wohl seine Gefühle? Können wir uns vorstellen, was unsere Gefühle wären als Eltern eines erwachsenen Kinds, das unschuldig verurteilt, gefoltert, zu Tode gemartert wird? Wären wir voller Sorgen, wie unser Kind diese Qual überstehen soll? Wären wir zornig, dass unser Kind diese Marter ertragen muss? Wären diese Gefühle nicht Gefühle der Anteilnahme am Schicksal unseres Kindes? Und vielleicht würden wir uns auch Sorgen machen um unsere anderen Kinder in einer solchen Welt… Angenommen, der Vater würde freundlich lächeln beim Leid seines Sohnes: Würden wir dann vielleicht denken, dass es sich um einen Vater ohne Mitgefühl handeln müsste, nur besorgt um seine Publicity? Wie wäre das, wenn wir leiden würden, traurig wären und wir hätten das Bild eines ewig lächelnden Gottvaters vor Augen? – Eine mögliche Antwort Felix Baumhauer war 1924, als er das Bild malte, werdender Vater. Er malte seine Vorstellung von Gottvater: ein mitfühlender Gott, der mit Seinem Sohn mitleidet, Seine Arme mit offenen Händen ausbreitet für ihn und Seine anderen Kinder, die Heiligen und den Unheiligen. Er tat dies für uns zum Zeichen, dass auch wir willkommen sind, dass Er auch uns nicht allein lässt in Zeiten unseres Schmerzes und unserer Trauer. Gottvater in der Apsis der Kirche Herz Jesu Wiedikon ist also mit seiner ernsten Miene ein mitfühlender Gott. Ich stelle mir vor, dass Er sich auch gerne mit uns freut in Zeiten der Freude. Hier geht es zu Teil 1 der Betrachtung des Apsisbildes.
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Im katholischen Milieu Zürichs wurde in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts für den katholischen Bevölkerungsteil eine eigene Infrastruktur aufgebaut. Katholische Kindergärten boten Betreuung und Erziehung, Pflegeangebote halfen Hilfsbedürftigen – auch in Herz Jesu Wiedikon. Filmaufnahmen aus dem «Kleinkindergarten» von Herz Jesu Wiedikon, 1930er-Jahre. (Pfarreiarchiv Herz Jesu Wiedikon) Vor dem Ausbau der staatlichen Sozialhilfe und einem flächendeckenden Netz von Spitex waren private karitative Einrichtungen wichtig. Diese wurden für Katholikinnen und Katholiken in Wiedikon von der Kirchgemeinde betrieben. Säulen dieser Hilfe, insbesondere für die Ärmsten, waren der Vinzenzverein und der Elisabethenverein, die mit Initiativen, Geldspenden und ehrenamtlichem Engagement Hilfe leisteten. Ordensschwestern engagierten sich zudem für Jahrzehnte in der Kirchgemeinde mit Pflege- und Betreuungssaufträgen. Unterstützung für Bedürftige 1934 entstand eine Krankenpflegestation im Quartier. Zwei St. Anna-Schwestern aus Luzern bezogen im 4. Stock des Johanneums eine Wohnung. Neben den Kranken kümmerten sich die Schwestern auch um Seniorinnen und Senioren sowie Wöchnerinnen. Dies war auch die Zielgruppe des Elisabethenvereins, der sich vor allem auf Hilfe für arme Frauen konzentrierte. Ein Bericht von 1944 zeigt, dass diese Hilfe in Form von Nahrungsmittelspenden, Spenden für Heizmaterial, Arztrechnungen und anderen Rechnungsrückständen aber auch in Form von Pflege und Haushaltshilfe bei Kranken und Bettlägerigen stattfand. Stets kämpfte der Verein gegen Geldsorgen und wie den Jahresberichten zu entnehmen ist, waren diese insbesondere in der Wirtschaftskrise in den 1930er-Jahren mit hoher Arbeitslosigkeit und in den Jahren des Zweiten Weltkriegs spürbar. Weniger Einnahmen standen einem höheren Bedarf an Hilfe gegenüber. Aus einem Bericht 1943 ist zu den Barauslagen des Vereins zu lesen: Sie findet de [Betrag] wahrschinlich e chli hoch, Mer zwar au; aber gsend Sie, mer hend slezzt Jahr so abgschaffedi Fraue atroffe, wo köperlich und seelisch sozzage erledigt gsi sind, dass mer gfunde hend, mer muessid durchgriffend helfe, und so hemmer Biträg zahlt und mit Hilf vom Frauebund hend die Fraue de chönne furt, us allem use, körperlich und seelisch sich go erhole und mir hend Freud gha sgseh, dass sie mit früschem Muet und früscher Kraft ihre Ufgab wieder hend chöne überneh. Doch nicht nur für die eigene Kirchgemeinde wurde Hilfe geleistet. Anfang der 1930er-Jahre betrieb die Pfarrei eine Arbeitslosensuppenküche, in der Arbeitslose unabhängig von Wohnort und Konfession willkommen waren. Während des Zweiten Weltkriegs konnten Bäuerinnen und andere von Arbeit überlastete Frauen über den Frauenhilfdienst sogenannte «Flicksäcke» mit zu flickenden Kleidungsstücken einsenden. Die Frauen des Elisabethenvereins von Herz Jesu Wiedikon erneuerten diese und sandten sie wieder zurück. Erziehung für die Kleinsten Der Vinzenzverein von Herz Jesu, der karitativ tätige Verein der Männer, war finanziell potenter als der Elisabethenverein und richtete sich vor allem an hilfsbedürftige Familien. Neben Spenden in Form von Naturalien und Lebenshaltungskosten initiierte der Verein auch einen Kindergarten. Für die Führung des Kindergartens im Pfarreihaus und im Johanneum konnten Ilanzer Dominikanerinnen gewonnen werden. Im April 1935 öffnete die «Kleinkinderschule» ihre Tore und bereits ein Jahr später gab es 70 Anmeldungen, sodass ein weiterer Kurs geführt werden musste. Das Schulgeld belief sich damals auf 1.50 Franken pro Monat. 1941 schickte das Ilanzer Mutterhaus auf Anfrage gar eine dritte Schwester, weil die Nachfrage nochmals gestiegen war. Eine Schwester betreute im ersten Jahrzehnt zwischen 40 und 50 Kinder, in den 1960er Jahren waren es noch 30 bis 40 Kinder. Die letzte Ilanzer Schwester verliess den Kindergarten auf das Ende des Schuljahrs 1990/1991, neun Jahre später schloss der Kindergarten wegen mangelnder Nachfrage ganz. Rolle des Kirchenanzeigers
Der Kirchenanzeiger, der von der Gründungszeit 1921 bis in die 1950er Jahre von der Pfarrei Herz Jesu herausgegeben wurde, diente als Informationsorgan zu den karitativen Angeboten in der Pfarrei. Auch machte er Aufrufe an seine Pfarreimitglieder, sich bei Spenden für Minderbemittelte zu engagieren. Da waren die Weihnachtsspenden gerade für bedürftige Kinder, die dann in einer Kinderweihnachtsfeier mit vom Frauen- und Mütterverein gestrickten Strümpfen und anderen nützlichen Dingen beschenkt wurden. Ganz pragmatisch waren Aufrufe im Anzeiger für die Übernahme der Kosten von Erstkommunionskleidern und Ferienlager für arme Kinder der Pfarrei. Niederschwellige Angebote sind auch heute noch wichtig in der Pfarrei Herz Jesu. Bedürftigen Menschen, die im Pfarreigebiet wohnen, hilft Herz Jesu mit Migros-Gutscheinen, in Notfällen auch mit weiteren Spenden. 2021 unterstützte die Pfarrei ausserdem Sr. Ariane und ihren Verein Incontro, der im Langstrassenquartier mit Nahrungsmitteln und Gesprächen hilft. |