Die Architektur der Kirche Herz Jesu entsprach um 1920 ganz den Vorstellungen der Zeit: eine neoromanische Basilika, beruhend auf klaren Grundformen. Die auffällige Ausmalung der Apsis war damals aber umstritten. Ein Gespräch mit zwei der Architektinnen, die für die Renovation ab 2022 beauftragt sind. «Als ich die Kirche zum ersten Mal betrat, fiel mir das Blau des Apsisgemäldes auf», sagt Corinne Weber. Und ihre Geschäftspartnerin Nina Renner ergänzt: «Mein Architektinnenauge sah sofort den Bruch zwischen der intensiven Apsis und dem Rest des Raumes.» Ihnen ging es ähnlich wie Nationalrat Georg Baumberger, der bei der Einweihung befand: «Der Gesamteindruck der Ausmalung ist überwältigend.» Die beiden Architektinnen haben zusammen mit ihrer Fachkollegin Adriana D’Inca im Herbst 2020 das Planerwahlverfahren für die Renovation der Kirche gewonnen. Seither sind sie daran, die Kirche weiter zu untersuchen und mit Fachpersonen die Renovation zu projektieren. Disput um die Chorgestaltung Ausgangslage für die Untersuchungen der Architektinnen bildete das Apsisgemälde. Denn die ersten vier Jahrzehnte nach dem Bau war die Kirche Herz Jesu Wiedikon innen flächendeckend ausgemalt. Ins Auge sprang von Anfang an die Chorbemalung: zentral eine Trinitätsdarstellung mit Jesus am Kreuz, über ihm der trauernd-streng schauende Gottvater, darüber die Taube als Symbol für den Heiligen Geist, links und rechts des Kreuzes zehn verschiedene Heilige im Halbrund. Feierlich eingesegnet wurde dieses Chorgemälde des bayrischen Künstlers Felix Baumhauer an Mariae Himmelfahrt 1925. Schon bald setze eine kontroverse Diskussion ein. Im Kirchenanzeiger vom 30. August 1925 ist zu lesen: «Der Disput um unser Chorgemälde scheint ziemlich lebhaft weiterzugehen.» Dies sei nicht verwunderlich – man sei ja durch «eine süssliche, kraftlose kirchliche Malkunst» verwöhnt. Die «gewaltige Sprache der neuen Monumentalmalerei zu verstehen» müsse man erst lernen. Baumhauer habe hier ein «Meisterwerk» geschaffen. Mit der ersten Renovation der Kirche in der zweiten Hälfte der 1960er-Jahre verschwand die Kreuzwegdarstellung im Schiff und in den Obergaden, also den Fensterbögen. Seit Ende der 1960er-Jahre sind die Wände des Kirchenschiffes weiss; die Apsisbemalung wurde bei dieser Bereinigung jedoch beibehalten. «Seither wirken Chor und Schiff wie zwei separate Räume», konstantiert Renner. Einfache, aber gültige Grundformen Die Kirche wurde also im Verlaufe des 20. Jahrhunderts zweimal ausgestattet: einmal sehr farbig, später dann purifiziert. Beides gilt es bei der geplanten Renovation heutzutage mit einzubeziehen. Im Massnahmenkatalog mit den Desideraten für die Renovation der Kirche, den die Baukommission im Juni 2020 zusammengestellt hat, ist zu lesen: «Die Lichtgestaltung im Altar- und Kirchenraum ist neu zu konzipieren.» Ein besonderes Anliegen ist es, die scheinbar zweigeteilte Oberkirche wieder mehr zu einer Einheit werden zu lassen. Renner, Weber und D‘Inca interessierten sich daher für die Gesamtstruktur der Kirche und unternahmen auch Recherchen zu den Ursprungsideen der Kirchenarchitektur. Der mit dem Bau der Kirche Herz Jesu beauftragte Schwyzer, Joseph Steiner, war ab den 1910er-Jahren ein sehr erfolgreicher Kirchenarchitekt. Allein im reformierten Kanton Zürich baute er im Laufe seiner Karriere acht Kirchen. «Steiner wählte für seinen Bau einfache, aber gültige Grundformen wie das Quadrat und den Kreis», sagt Renner. Der neoromanische Bau entspreche ganz der Mode der Zeit, einzelne historisierende Elemente wie die Verzierungen bei den Rundbogenfenstern oder der Zaun, der damals um die Kirche herum gebaut worden sei, gehörten ebenfalls dazu. Ein öffentlicher und doch ruhiger Ort Was ist spannend an der Renovationsplanung dieses grossen Baus? Interessant sei die freie Zugänglichkeit einer Kirche, meint Renner. «Eine Kirche steht frei zur Verfügung, ohne Anspruch, ohne Anregung auf Konsum», ergänzt Weber. Es sei ein Ort der Ruhe und der Andacht. Und genau dies wollen die Architektinnen mit ihrer gestalterischen, aber auch technischen Arbeit für den Erhalt der Bausubstanz nun umsetzen. «Es geht darum, den Raum und die Substanz zu pflegen», sagt Weber, und zitiert dabei aus der Wettbewerbsbeilage: «Eine pragmatische denkmalpflegerische Herangehensweise» sei dafür notwendig. Diskussionen zu Farb- und Lichtgestaltung der Ober- und der 1966 errichteten Unterkirche, die technische Planung der Renovation ebenso wie die statische Untersuchung für den Umbau der Empore gehören dazu. Wie lässt sich die Kirche heute mit Leben füllen? Ausgangslage für den nächsten Blog-Beitrag bildet die Gegenwart: Gemeindeleiter Artur Czastkiewicz und Ronald Jenny im Gespräch über Vergangenheit und Zukunft von Herz Jesu Wiedikon.
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