Die Kirche Herz Jesu Wiedikon hat eine Gesamtsanierung erfahren. Nach zwei Jahren Umbau ist sie nun bereit: Ihr Innenraum ist ein sinnliches Gesamtkunstwerk geworden. Ein Besuch kurz vor der Wiedereröffnung am 7. April. «Es hat sich gelohnt, diese Kirche zu renovieren!» Darin sind sich Pfarrer Artur Czastkiewicz und Sigmund Tur, Präsident der Baukommission, einig. Noch bleiben zwei Wochen bis zur Eröffnung am 7. April 2024. Beide blicken der grossen Feier freudig-nervös entgegen. Drei Jahre intensive Vorbereitungszeit und knapp zwei Jahre Bauzeit liegen hinter ihnen, mit unzähligen Sitzungen und Gesprächen, unter Beteiligung von vielen Fachleuten und engagierten Menschen aus der Gemeinde. «Ich freue mich auf die Begegnung mit den Leuten», sagt Artur Czastkiewicz. Und Sigmund Tur ergänzt: «Ich bin gespannt auf die Reaktionen! Natürlich wird es auch kritische Stimmen geben, man kann nie allen gerecht werden. Aber es wird auf jeden Fall ganz, ganz schön.» Eine Jahrhundertinvestition Kirchenaustritte, schwindende Besucherzahlen bei der Messe, weniger Katholikinnen und Katholiken: Von solchen aktuellen Tendenzen lassen sich die beiden nicht beirren. «Wir orientieren uns nicht an der Leere, sondern glauben an die Zukunft der Kirche», meint Sigmund Tur überzeugt. Rund 8 Millionen Franken hat die Renovation der Ober- und der Unterkirche gekostet, mehr als die Hälfte davon floss in unsichtbare Sanierungsmassnahmen wie Heizung, Elektroinstallationen, statische Ertüchtigung oder Sanitärarbeiten. «Die Kirche soll mit einer einladenden Seelsorge sowie kulturellen und sozialen Angeboten der heutigen Gesellschaft als ein Ort der Begegnung und des Austauschs dienen», erklärt Artur Czastkiewicz. Wenige Wochen vor der Eröffnung, trotz Kran und Menschen in Handwerkskleidern im Kirchenraum, wird spürbar: Die Zürcher Architektinnen Nina Andrea Renner und Corinne Weber vom Büro Renner Weber haben hierfür mit dem Umbau eine solide Basis geschaffen. Grosse Empore für die Musik Am feierlichen Gottesdienst zur Wiedereröffnung vom 7. April werden auf der sanierten Empore rund 80 Musiker:innen in Anwesenheit von Joseph Maria Bonnemain, dem Bischof von Chur, die C-Dur Messe von Beethovens (Op. 86) spielen. Im Zuge der Umbauarbeiten wurde die Empore vergrössert, weil man der Musik und dem Klang zukünftig besonders viel Raum geben möchte. Auch die Renovation der Orgel war Teil der Sanierungsarbeiten. Diese wird am Eröffnungsfest aber noch schweigen. Denn zuerst müssen die mehreren tausend Pfeifen gestimmt werden, was rund sechs Wochen dauert. Pünktlich zu Pfingsten werden sie die Kirche dann mit ihrem Klang erfüllen. Fliessende Skulpturen Ziel der Renovation des Kirchenraums war, ein visuelles und sinnliches Gesamtkunstwerk zu schaffen. Beim Betreten der Kirche wird sofort klar, was damit gemeint ist: Das dominante Apsisbild des deutschen Künstlers Felix Baumhauer (1876–1960), das bereits zum Zeitpunkt seiner Entstehung 1924 nicht unumstritten war, fügt sich sehr harmonisch in den Kirchenraum ein. Die Architektinnen nahmen in ihrem Farbkonzept die im Gemälde dominierenden Farben auf und zogen sie in den Raum hinein. Die Seitenwände tauchten sie in ein warmes Rosa, die Holzdecke liessen sie blau streichen. Ein weiterer wichtiger Bestandteil sind die vom Künstler Karsten Födinger geschaffenen Sandsteinskulpturen, die aus den Mauern herauszufliessen scheinen. Sie erinnern an Gewandfalten und strahlen durch ihre kraftvolle Natürlichkeit eine spirituelle Ruhe aus. Zwei davon befinden sich im rechten und eine im linken Seitenschiff, eine ist in der Marienkapelle und eine draussen auf dem Kapellendach platziert. Keine Eventhalle Sigmund Tur erzählt mit glänzenden Augen von den sternenähnlichen Lämpchen an der Decke und den Scheinwerfern, die je nach liturgischem Thema erlauben werden, die Figuren des Apsisgemäldes in Szene zu setzen. Multimedial ist die neue Kirche! Eine fix installierte Leinwand und ein Beamer werden künftig das Übertragen von Messen in Altersheime und Spitäler, aber auch Projektionen von Bild- und Filmmaterial vor Ort möglich machen. Ist die moderne Kirche eine Eventhalle? Artur Czastkiewicz verneint dezidiert: «Wir sind nach wie vor eine Kirche. Wir wollen die emotionale, sinnliche Komponente des Katholischen erhalten. Aber der Umbau hat Orte und neue Möglichkeiten für unterschiedliche Bedürfnisse geschaffen. Der Taufstein, die Marienkapelle, die Kinderecke, der Beichtraum, der Kreuzweg – es hat vieles Platz, auch nebeneinander.» Ein Ort für zeitgemässes Beichten Artur Czastkiewicz betont, wie wichtig ihm die Offenheit in der Tradition von Herz Jesu Wiedikon ist, auch gegenüber anderen Glaubensrichtungen. Dies widerspiegelt nicht zuletzt auch das neue Beichtzimmer. Sich in einer Kabine hinzuknien und durch ein Gitter zu beichten, sei nicht mehr zeitgemäss, findet Sigmund Tur. Die Menschen suchten heute Gespräche mit jemanden, der zuhören könne, ohne sich Notizen zu machen. «Sie suchen eine persönliche Beratung, Reflexion übers Leben, Versöhnung oder möchten etwas loslassen...» Der neue Beichtraum will diesen Bedürfnissen gerecht werden und schafft eine intime und doch transparente Atmosphäre. Die Personen sitzen sich in einem abgetrennten Raum innerhalb der Kirche auf Augenhöhe gegenüber und haben zugleich Bezug zur Aussenwelt. Wer vorbeigeht, sieht durch das Milchglas, ob der Raum besetzt ist, ohne dabei die Gesichter zu erkennen. Geborgenheit in der Kapelle Auch die umgebaute Marienkapelle wird einem aktuellen Bedürfnis gerecht und ermöglicht Ruhe, Einkehr und Meditation. «Hier soll es sich anfühlen wie im Mutterschoss», erklärt Sigmund Tur. Die Kapelle strahlt in einem kräftigen Marienblau und ist mit einer Marienstatue, bequemen Bänken und einer Kerze schlicht eingerichtet. Der kunstvolle Faltenwurf aus Sandstein in der Höhe schafft eine spirituelle Verbindung zum Göttlichen. Was während der Renovierungsphase immer wieder zu reden gegeben hat, ist der Kreuzweg. Ist dieser noch zeitgemäss? In der neuen Kirche wird er mit 14 kleinen Kreuzen, die fein in den Putz eingeritzt wurden, dezent gehalten. Die Verantwortlichen wollen beobachten, wie er zukünftig gelebt wird – und dann vielleicht darauf reagieren. «Es ist wie bei den Lampen, wenn man in eine neue Wohnung zieht: Ich merke erst im Alltag, wo ich noch Licht brauche», erklärt Sigmund Tur. Und das gilt ein Stück weit für die ganze Kirche: Es wird sich zeigen, wie sie in Zukunft genutzt und was es vielleicht ergänzend noch brauchen wird. Letzte Tage vor der Eröffnung Noch bleibt etwas Zeit bis zur Eröffnung. «Natürlich sind wir etwas gestresst, so ein Umbau ist eine riesengrosse Herausforderung», geben die beiden zu. Ob sie zuversichtlich seien, dass alles rechtzeitig fertig werde? «Wunder passieren», scherzt Artur Czastkiewicz und man spürt förmlich seine Zuversicht und Vorfreude.
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September 2024
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