Rund drei Jahre lang waren sie nun mit der Kirche Herz Jesu Wiedikon verbunden: die Architektinnen Corinne Weber und Nina Andrea Renner. Über diese ganze Zeit hinweg behielten sie den Überblick über den komplexen und vielschichtigen Umbau der Ober- und der Unterkirche. Wir sitzen im Gesprächsraum der Oberkirche und können von hier in den Kirchenraum sehen. Was sind Ihre Lieblingsorte in der Kirche? Renner: Lieblingsorte können für Besuchende in Räumen oder in Bereichen der Kirche entstehen, in denen sie sich zum Gespräch oder zur Kontemplation einfinden und sich besonders wohl fühlen. Uns als Architektinnen interessiert das Stückhafte nicht. Nichts wirkt einzeln, die Einzelheiten fügen sich ins Gesamte ein. Eine übergreifende Idee verfolgen wir aber bis ins Detail, so finden sich die Gesamtheit und das Einzelne wieder in einer Ruhe und Ausgewogenheit. Viele Personen aus der Kirchgemeinde betonen diese Ruhe – aber auch die Wärme, die die Kirche nun ausstrahlt. Weber: Wir haben in der Oberkirche versucht, ausgehend von den bestehenden Formen eine Ordnung im gesamten Raum zu finden. Auch die Farbgestaltung ist nicht nur Anstrich, sondern materialisiert den Raum. Sie fügt sich in diese Ordnung ein und ist so elementarer Teil dieser Ordnung. Renner: Vor dem jüngsten Umbau stand das Gemälde der Apsis in seltsamem Bruch mit der in den 1970er-Jahren einheitlich in Weiss gestalteten Kirche. Ursprünglich war die Kirche ganz ausgemalt. Nun wollten wir das denkmalgeschützte Bild wieder in den Raum einbinden und haben daher Farben ausgewählt, die dies ermöglichen. Weber: Anders hingegen stellte sich die Aufgabe in der Unterkirche. Diese wurde in den 1970er-Jahren unterirdisch mit stimmungsvoller Tageslichtführung erbaut und ganz in Weiss gehalten. Die damalige Farbgestalt wurde hier beibehalten. Sie war Teil der räumlichen Idee. In der Unterkirche ging es primär darum, die Lichtführung wieder mit dem ursprünglichen Raumkonzept zu verweben und die über die Jahre zugefügten Elemente zu entfernen oder neu zu integrieren. Nichts wirkt einzeln, die Einzelheiten fügen sich ins Gesamte ein. Eine übergreifende Idee verfolgen wir aber bis ins Detail, so finden sich die Gesamtheit und das Einzelne wieder in einer Ruhe und Ausgewogenheit. (Nina Andrea Renner) In Ihren Unterlagen zum Planerwahlverfahren von 2020 schreiben Sie, für den Gesamtumbau wollten Sie eine «pragmatisch denkmalpflegerische Herangehensweise» wählen. Was heisst das genau mit Blick auf die nun umgebaute Kirche? Renner: Das Ursprüngliche, aber nicht mehr Vorhandene, konnte nicht mehr rekonstruiert werden. Etwas gänzlich Neues in Opposition zu setzen, hätte aber auch einen weiteren Bruch bedeutet. Wir suchten also nach einem Weg, aus den verschiedenen Zeitebenen mit geeigneten Interventionen wieder ein Ganzes zu schaffen. Es gab zum Beispiel in der ursprünglichen Kirche ein Band von Apostelbildern über dem Chorbogen. Diese Bilder haben die Wandfläche strukturiert. Ohne dieses Band waren Bogen und Wandfläche zur Decke schlecht proportioniert. Die zwölf Apostelbilder zu rekonstruieren, war nicht sinnvoll. Also haben wir mit den zeitgenössisch verfügbaren Mitteln dieses Band aus zwölf Marmorplatten wieder geschaffen. Sie erinnern nun an die Figuren, die ehemals den Raum prägten. Weber: Die Umgestaltung der Empore in den 1950er-Jahren und die darauffolgende Purifizierung der Kirche in den 1970er-Jahren haben die ursprüngliche Erscheinung der Kirche aus den 1920er-Jahren stark verändert. Vor diesem Hintergrund haben wir die Qualität des Bestehenden bewertet. Wir fragten uns: Was behalten wir? Was machen wir neu? Wie ergänzen wir sinnvoll? Wir wollten die verschiedenen Elemente einander zuordnen. Renner: Diese einzelnen Entscheidungen sind nicht mehr abzulesen, da sie sich nun zu einem Gesamten zusammenfügen. Es fällt zum Beispiel kaum auf, dass das Mittelschiff nun vierseitig von Rundbögen umgeben ist. Zuvor war dies nicht der Fall. Weber: Ja, genau. Wir haben die Agora-Situation, eine Art Versammlungsplatz, die in der ursprünglichen Kirche vorhanden war, mit effizienten, aber wirksamen Massnahmen wieder hervorgebracht. Die Empore musste aus statischen Gründen abgerissen und neu gebaut werden. Dabei haben wir wieder Rundbögen im Eingangsbereich schaffen können, welche die Bögen der Seitenschiffe in ihrer Logik ergänzen. Für die Säulen der neuen Empore haben wir aber bewusst einen anderen Stein und eine andere Ausformulierung gewählt, die den tieferen Raum unter der Empore kraftvoll fassen können. Renner: Die Empore bildet dabei die neue vierte Fassade, die gemeinsam mit den Seitenschiffwänden und dem Chorbereich den Hauptraum umschreibt. Die gedankliche Verbindung mit der Agora gefällt uns, sie assoziiert, dass der Kirchraum als Teil des öffentlichen Raums verstanden werden kann. Das Gebäude ist tagsüber offen und zugänglich. Für manche kann es einen Ort der Begegnung, für andere ein Ort der Kontemplation oder der Stille sein. Weber: Solche Freiräume gibt es selten. Wir wollten die Öffentlichkeit dieses Raums mit den uns zur Verfügung stehenden architektonischen Mitteln wieder spürbar machen. Wir fragten uns: Was behalten wir? Was machen wir neu? Wie ergänzen wir sinnvoll? (Corinne Weber) Gab es auch architektonische Ideen, die Sie verwerfen mussten, oder Kompromisse, die Sie eingehen mussten? Renner: Die Arbeit von der ersten Idee bis zur fertigen Umsetzung ist ein kontinuierlicher Prozess. Wir entwickelten und präzisierten das Projekt in regem Dialog mit der Baukommission und in intensivem Austausch mit den beteiligten Fachplanern und Unternehmern weiter. Kompromiss wäre in diesem Zusammenhang ein unpassendes Wort, denn ihm haftet an, dass es Abstriche gab. Wir suchten vielmehr nach Wegen, die verschiedensten Anforderungen zu integrieren. Weber: Als Architektinnen haben wir die Chance, uns für die gebaute Umwelt einzusetzen. Darum ist der Dialog mit allen Menschen, die am Projekt beteiligt sind, wichtig. Viele der Arbeiten waren aus baulichen Gründen zwingend. Dazu gehört etwa, dass die Decke neu verankert und das Dach neu gedeckt und gedämmt werden mussten. Auch hatten die elektrischen Anlagen und die Wasserleitungen ihre Lebenszyklen überschritten und wurden ersetzt. Renner: Diese Massnahmen sollten beim Erleben des Raums nicht im Vordergrund stehen. Wir wollten sie dem Gesamten einfügen. Auch bei den Steinbänken oder den Holzelementen, welche teilweise die Heizelemente integrieren, suchten wir nach der passenden Form, ohne deren technische Notwendigkeit formal zu inszenieren. Rückblickend betrachtet: Was macht den Reiz eines Kirchenumbaus aus? Weber: Kirchen sind kulturelle Denkmäler, die öffentlich zugänglich sind. Das war für uns der Ansporn, einen schönen Raum zu gestalten. Renner: Auch stellt ein Gebäude wie eine Kirche Anspruch an eine lange Beständigkeit – ein Aspekt, der uns grundsätzlich interessiert und integrativer Teil echten nachhaltigen Bauens ist. Dabei sind natürlich technische Lösungen wichtig, die Bestand haben, aber ebenso die verwendeten Materialien, die überdauern. Und nicht zuletzt zählt die Schönheit in der räumlichen Ordnung, die Generationen später noch Gültigkeit besitzt. Blick auf die Kirche Herz Jesu von aussen – und in ihren Innenraum. Nutzende mögen die Farben und die Ruhe der Kirche. Bilder: Schaub Stierli Fotografie.. Blick in die umgestaltete Unterkirche. Die Architektinnen legten bei der Arbeit Wert auf Details, die sich ins Ganze einfügen. Bilder: Schaub Stierli Fotografie.
0 Kommentare
Fünf Kunstwerke aus Sandstein sind neu Teil der renovierten Kirche Herz Jesu Wiedikon. Entstanden sind die Interventionen des Künstlers Karsten Födinger im intensiven Dialog mit den Architektinnen und den Kunstverantwortlichen der Baukommission. Die Skulpturen sind archaisch-geerdet – und lassen Raum für himmlisch-spirituelle Assoziationen. Ein Engelsflügel, der Faltenwurf einer Robe, der Rockzipfel von Marias Gewand, eine Verbindung von Himmel und Erde, ein offenes Ohr oder Gottes Hand, die uns unsichtbar entgegengestreckt wird: Die skulpturale Kunst in der Kirche Herz Jesu regt die Fantasie an. «Ein gutes Kunstwerk braucht nicht unbedingt eine Erklärung. Die Kunst soll ein Eigenleben entwickeln und sich entfalten können», sagt Karsten Födinger, der Künstler, der die Steinskulpturen für Herz Jesu Wiedikon entwickelt hat. Er stammt aus Mönchengladbach (D), hat an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe studiert und lehrt als Professor für Bildhauerei an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle (D). In seinem Schaffen konzentriert er sich auf oft grossformatige, ortsbezogene Skulptur. Inspiration für die eigene Spiritualität Diakon Ronald Jenny findet die Kunstwerke sehr inspirierend. Es gelingt ihm, zu jedem Werk einen theologischen oder spirituellen Bezug herzustellen und eine Geschichte aus der Bibel zu erzählen. So erinnert ihn zum Beispiel eines der Werke an die Stelle im Neuen Testament, wo es heisst: «[…] der Vorhang riss im Tempel von oben bis unten entzwei», als Jesus am Kreuz starb (Mt 27,51; Mk 15,38; Lk 23,45). In einem anderen sieht Jenny eine stützende Funktion, die er mit Giottos berühmten Fresko in der Basilika San Francesco in Assisi in Verbindung bringt: Im Traum erscheint hier Papst Innozenz III. Franz von Assisi, der die wankende Kirche stützt. In einer weiteren Skulptur sieht er den Erzengel Michael mit dem Schwert, in einer anderen eine Muschel, in der man nach einer Perle suchen kann. Das vom Künstler formulierte Ziel, dass die Kunst für sich ein Eigenleben entwickeln soll, scheint in der Kirche Herz Jesu also gelungen zu sein. Diese Haltung spiegelt den heutigen Zeitgeist wider: Kunst darf nicht lehrmeisterlich sein oder gar predigen – sie ist ein Angebot für alle, darin einen persönlichen Bezug zu finden. Das skulpturale Kunstwerk von Karsten Födinger, das über der Marienskulptur schwebt, vollendet das spirituelle Erlebnis in der Marienkapelle und lädt zum Meditieren ein. Fotos: Serge Hasenböhler. Kunst für den sakralen Raum Die Kunst in Kirchen hatte einst eine ganz andere Funktion. Sie diente dazu, den Menschen in Bildern die Bibel und ihre Geschichten näherzubringen. Sakrale Kunst war Auftragsarbeit, über das Sujet entschieden die Mäzene. Dem Künstler oder der Künstlerin blieb oftmals nur ein kleiner Spielraum, die darzustellende Szene zu interpretieren. Wem eine eigenwillige Interpretation gelang, der hatte seinen Platz in der Kunstgeschichte. So prägte zum Beispiel Michelangelo mit seiner Pietà das Bild Muttergottes über Jahrhunderte – und Caravaggio revolutionierte gängige Bibelszenen, indem er sie ins Umfeld des einfachen Volkes verlegte. Auch der Künstler Felix Baumhauer vermittelte 1924 mit dem Apsisbild der Darstellung der christlichen Dreieinigkeit in der Kirche Herz Jesu eine klare christliche Botschaft: Er malte die Szene nach seiner Vorstellung – seine individuelle Ausgestaltung der Figuren stösst seither immer wieder auf Kritik. Beim Apsisbild, der Pietà und Caravaggios Szenen handelt es sich um sakrale Auftragskunst – also Kunst, die gegen Bezahlung ein spezifisches sakrales Thema behandelt. Auch die Werke von Karsten Födinger sind Auftragsarbeiten, allerdings nicht sakrale Kunst – sondern Kunst für den sakralen Raum. Stein aus der Ostschweiz Karsten Födinger wurde von den Architektinnen als Künstler vorgeschlagen. Gemeinsam verfolgten sie den Anspruch, die Kunst als inhärenter Bestandteil der Architektur zu verstehen und nicht als nachträgliche Applikation. So gliedern zum Beispiel die säulenartigen Skulpturen entlang der Seitenschiffe die steinerne Sitzbank und wirken in ihrer Grösse und Materialisierung körperlich präsent. Viel zu reden gab insbesondere die Materialisierung. Gesucht war ein Material, das eine «dramatische» Geschichten erzählen konnte und zugleich «schon immer da» war und der göttlichen Schöpfung entstammte. Für seine Skulpturen wählte er schliesslich grobkörnige Sandsteinblöcke aus dem Teufener Sandsteinbruch Lochmühle; die anspruchsvollen Steinmetzarbeiten wurden gemeinsam mit der Firma Schmitt Natursteinwerk AG aus Herisau ausgeführt. Födingers Kunstwerke integrieren sich in den Kirchenraum und unterstützen die architektonische Gliederung – mit und ohne Kirchenbesuchende. Foto: Serge Hasenböhler. Keine laute Kunst Födinger lässt in seinen Skulpturen das Material sprechen und spielt bewusst mit den Extremen, welche die Steinbearbeitungstechnik zulässt: Er belässt stellenweise den archaisch unbearbeiteten Stein, lässt gewisse Flächen grob behauen oder mühselig von Hand bearbeiten und formt wiederum andere Stellen in hochtechnischen, digitalen Prozessen mittels CNC-Fräsen. Diese Extreme lassen sich am deutlichsten an der Skulptur im Aussenraum erkennen: Hier stützt ein roher Findling eine aus Stein geschliffene «steinige Rundung» mit Kernbohrungen, die als «Falten» gesehen werden können. Damit bekommt das Schwere, Bestehende und Feste, das dem Stein innewohnt, etwas Leichtes und Fragiles. Für die Formgebung liess sich Födinger von Gewandfalten inspirieren, wie sie seit Jahrhunderten als klassisches Motiv in der christlichen Ikonografie vorkommen. Teil des Gesamtkunstwerks Ähnlich wie die Architektinnen Nina Andrea Renner und Corinne Weber, die mit ihren Renovierungsplänen auf das Bestehende reagierten, arbeitete auch Karsten Födinger: Die säulenähnlichen Skulpturen entlang der Seitenwände gliedern die Seitenschiffe der Kirche, die gewandartige Skulptur in der Marienkapelle verbindet unten – die Erde – mit oben – dem Himmel; und das Werk im Aussenraum nimmt Bezug auf die Strassenkreuzung, den physischen Standort der Kirche. «Die Figuren sind nicht aufdringlich», sagt Architektin Corinne Weber, «sondern strahlen Ruhe und Wärme aus.» Die Steinskulpturen fügen sich harmonisch ein in das neu gestaltete Kircheninnere, verleihen dem Raum eine klare Struktur. Sie sind Teil des sinnlichen Gesamtkunstwerks, der umgebauten Kirche Herz Jesu Wiedikon. Hier geht es zur Website des Bildhauers Karsten Födinger. Unbearbeiteter Stein in Kombination mit bearbeiteten Teilen. Fotos: Serge Hasenböhler.
Am 16. Juni feiert die Kirche Herz Jesu Wiedikon ihre Orgel. Sie ist neu und doch alt. – Und klingt so schön wie noch nie zuvor. Ein Werkstattbericht über den schweizweit einzigartigen, nachhaltigen und aufwändigen «Technischen Orgelneubau». «Unsere neue Orgel wird intoniert und gestimmt. Diese Arbeiten benötigen absolute Stille in der Kirche!», liest man in den ersten Maiwochen beim Betreten der Herz-Jesu-Kirche Wiedikon und hört sogleich, was gemeint ist. Ein schriller Pfeifton, langanhaltend, dazwischen eine Stimme. Dies gehe nun schon seit vier Wochen so, erklärt der Orgelbauer Andreas Metzler, wobei eine Woche aus 55 Arbeitsstunden bestehe. Andreas Metzler, Mitinhaber der Traditionsfirma Metzler Orgelbau AG Dietikon, und sein Mitarbeiter Roland Koch haben während dieser Zeit die rund 2600 Pfeifen je zwei- bis dreimal in den Händen gehalten und mit Schleifwerkzeug und Hämmerlein bearbeitet. Zum einen stimmten sie dabei die Pfeifen auf die richtige Tonhöhe. Zum anderen arbeiteten sie an der Intonation: Sie stimmten die Lautstärke und Klangfarbe jedes Tons innerhalb des jeweiligen Registers auf den Kirchenraum ab und achteten dabei zugleich auf ein möglichst präzises Ansprechen der Pfeife ohne Nebentöne. Orgelbauer Andreas Metzler beim Stimmen und Intonieren der Orgel. Tonaufnahme: Carol Nater-Cartier. Nachhaltigster Orgelneubau Doch zurück zu den Projektanfängen. Bevor Andreas Metzler vor Ort mit dieser Geduldsarbeit beginnen und das Orgelprojekt zum Abschluss bringen konnte, vergingen unzählige Stunden Planungs- und Vorbereitungsarbeiten. Dazu gehörten auch die Untersuchungen von Christoph Metzler. Seit 2021 hat er das Orgelprojekt in der Kirche Herz Jesu Wiedikon als Projektleiter und Bauherrenberater begleitet. Die 1995 gegründete Firma des gelernten Orgelbauers hat sich auf die Ausschreibung von Arbeiten an Orgeln im Bereich des Vergabe- und Baurechtvertragsrechts – sogenannte Orgelsubmissionen – spezialisiert. Wenn bei einer Kirchenrenovation auch eine Orgel von den Umbaumassnahmen betroffen ist, bietet er Hand. Dabei legt er grossen Wert auf Nachhaltigkeit und ein faires Vergabeverfahren: «Es lohnt sich abzuklären, inwiefern Teile der bestehenden Orgel wieder verwendet und aufbereitet werden können, bevor man sich für ein komplett neues Instrument entscheidet», sagt er. Die Erstellung eines Orgelnutzungskonzeptes hilft dabei. Schweizweit einzigartig In einem komplexen Vergaberechts-Auswahlverfahren für den Technischen Orgelneubau der Kirche Herz Jesu Wiedikon setzte sich die Firma Metzler Orgelbau AG aus Dietikon durch. «Ihr Konzept überzeugte die Jury am meisten», sagt Christoph Metzler zum Vorschlag der Firma seiner beiden Cousins Andreas und Mathias. Eines der Projektziele sah vor, das dritte Manual (das Schwellwerk), das sich seit dem Einbau der Orgel 1947/48 im Kirchturm befand, neu zwischen den beiden ursprünglichen Orgelwerken auf der Orgelempore zu platzieren und den Spieltisch in die Mitte der Empore zu verschieben. Insgesamt 86 Prozent der Pfeifen wurden erhalten, ebenso ein grosser Teil der Blasbälge sowie die Gehäuseelemente. «Dieses Vorgehen erklärt den Begriff des Technischen Orgelneubaus», erklärt Christoph Metzler. «In diesem Sinne steht die Orgel in der Herz Jesu Wiedikon schweizweit für einen Paradigmenwechsel im Hinblick auf Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit im Orgelbau». «Back to the roots» Neu hingegen ist die Spielmechanik: Während früher der Ton durch eine elektropneumatische Technik ausgelöst wurde, ist die Ansprache des Tons heute rein mechanischer Natur. Dies erlaubt dem Organisten eine viel feinere Spielweise. Guido Keller, Hauptorganist an der Herz-Jesu-Kirche Wiedikon seit 2006, ist begeistert: «Es ist ein riesiger Unterschied zu früher!» Die neue mechanische Traktur sei viel genauer und direkter. «Sie funktioniert jetzt perfekt, es ist viel weniger streng und man hat einen schönen Druckpunkt – das bedeutet, man merkt die Auslösung des Ventils am Finger.» Die Traktur vorher sei sehr schlecht gewesen und habe viel Ärger bereitet. Die neue mechanische Traktur ist aber eigentlich die ursprüngliche Technik. Sie wurde 19. Jahrhundert durch das pneumatische System ersetzt. Im 20. Jahrhundert entstanden erst elektropneumatisch und später auch elektrisch gesteuerte Orgeln. Seit den 1960er-Jahren baut man vor allem im deutschen Sprachgebiet wieder fast ausschliesslich Orgeln mit mechanischer Spieltraktur, da die elektropneumatische Technik zu störungsanfällig war. Wunderbare Schreinerarbeiten «Mit dem Technischen Orgelneubau haben wir heute ein Instrument für die nächsten 200 bis 300 Jahre», sagt Christoph Metzler stolz. Komplett neu sind der Spieltisch und die Holzverkleidung aus edlem Waldkirschbaumholz. Er fährt behutsam über das Kirschbaumholz und schwärmt: «Schauen Sie sich mal dieses Türli an, so eine wunderbare Schreinerarbeit – wo gibt es denn noch so was! Und diese Farbe: einfach genial!» Der freistehende Spieltisch mit den drei Manualen à je 56 Tasten besitzt 41 eigene Register mit verschiedenen Klangfarben (Flöten, Trompeten, Flageolet, Streicher usw.). «Wenn ich ein Stück nach Noten spiele, kann ich die Abfolge der Register im Voraus programmieren», sagt der Organist Guido Keller. Bei den Messen improvisiere er aber lieber, verrät er: «Das erlaubt mir, viel direkter auf die Worte des Pfarrers und die Stimmung zu reagieren.» Das gehe jetzt, wo der Spieltisch so steht, dass er Augenkontakt zur Apsis hat, noch viel besser als zuvor. «Es hät gfägt!» Der Orgelaus- und Wiedereinbau musste eng auf die gesamte Kirchenrenovation abgestimmt werden. «Das Projekt hat viel Energie und Zeit gebraucht, und nicht immer ist alles reibungslos verlaufen.» Die Zusammenarbeit mit der Baukommission und den Architektinnen habe ihm aber gefallen: «Es hät richtig gfägt!», sagt Christoph Metzler. Nach fünf Wochen Intonations- und Stimmarbeiten sind die Verantwortlichen jetzt zufrieden. Das war Ende April noch anders: «Das erste Spielen auf der neuen Orgel war ein Schock», erinnert sich Guido Keller. «Es war alles viel zu laut.» Seit der Orgelbauer sukzessive den Winddruck zurückgenommen habe, sei der Klang von Woche zu Woche besser geworden, «brillianter, symphonischer und farbiger». Und Christoph Metzler ergänzt: «Jetzt kann es die Orgel in Herz Jesu Wiedikon sogar mit der Orgel in St. Agatha in Dietikon aufnehmen!» Die Experten lachen: Die St. Agatha-Orgel, an welcher der Orgelexperte Bernhard Hörler wirkt, gilt unter ihnen als das «Mass aller Dinge». Die Verantwortlichen sind nach fünf intensiven Wochen Intonations- und Stimmarbeiten sehr zufrieden mit dem Klang. Video: Carol Nater Cartier. Erhabener Klang Die Verantwortlichen für den Technischen Orgelneubau haben also ihr ehrgeiziges Ziel erreicht. Die Erleichterung darüber sieht man ihnen förmlich an. Guido Keller setzt sich an den Spieltisch, drückt ein paar Tasten und bringt Akkorde zum Klingen. «Es ist ein sehr erhabenes Gefühl, auf dieser neu gebauten Orgel zu spielen», meint er glücklich. Er wird sich in den nächsten Wochen bis zur offiziellen Orgeleinweihung am 16. Juni noch oft auf die Empore begeben, um «seine» technisch neugebaute Orgel besser kennenzulernen. Noch kann er es kaum glauben: Schon als er die Stelle als Hauptorganist in Herz Jesu Wiedikon angetreten hat, war von einer neuen Orgel die Rede. Achtzehn Jahre später ist dieses Versprechen endlich in Erfüllung gegangen. Guido Keller macht sich mit der neuen Spieltechnik vertraut und testet den Sound. Video: Carol Nater Cartier.
«Chris und Chris», die beiden guten Seelen der Pfarrei Herz Jesu Wiedikon, haben die Renovierung beider Kirchen der Gemeinde, der Ober- wie der Unterkirche, hautnah miterlebt. Im Interview blicken sie zurück auf die zweijährige Umbauphase und gewähren einen Blick hinter die Kulissen. «Jetzt ist sie unter uns und schaut zu uns», sagt Hauptsakristan Christopher Albrecht glücklich und zeigt auf die barocke Marienstatue in der Ecke rechts vom Altar in der Unterkirche. Er und Christa Küchler, Leitungsassistentin des Gemeindeleiters und der Kirchenpflege, können heute darüber lachen, wenn sie an das Missverständnis rund um die Aufstellung der Maria zurückdenken. Noch vor einer Weile war niemandem zum Lachen zumute: Die Marienstatue war nach der Renovierung des Kirchenraums so angebracht worden, dass ihre Augen desinteressiert am Kirchenvolk vorbeiblickten. Nach den ersten Gottesdiensten nach der Wiedereröffnung hagelte es Kritik von den Kirchenbesuchenden, die in erster Linie bei Christa Küchler und Christopher Albrecht deponiert wurde. Ihnen kommen Lob oder Missfallen aus der Gemeinde stets unmittelbar zu Ohren. Mittendrin – abwartend Im Kirchensekretariat bei Christa Küchler laufen während der Bauzeit die Fäden zusammen: Bauleitung, Architektinnen, Pfarrer, Handwerker, Kirchenbesuchende – Christa Küchler steht mit allen in Kontakt. Auch Christopher Albrecht ist als Hauptsakristan eine wichtige Ansprechsperson für viele. Er kümmert sich um infrastrukturelle und technische Anliegen, bereitet die Gottesdienste vor, sorgt für die Instandhaltung der Kirche und ist zuständig für den Garten und die Umgebungsarbeiten. Für den Umbau lieferten die beiden der Baukommission und den Architektinnen wichtige Inputs aus dem Betrieb: «Wir wurden vom Gemeindeleiter Arthur Czastkiewicz auf dem Laufenden gehalten und wo nötig miteinbezogen», erzählen sie. «Es war eine intensive Zeit», meint Küchler rückblickend. «Ich habe in diesem Umbauprozess gelernt, nicht immer gleich alles zu hinterfragen, sondern einfach mal abzuwarten. Das war aber nicht immer einfach!», sagt sie rückblickend und Christopher Albrecht pflichtet ihr bei. Schreckensmoment mit dem Bischof Seinen grössten Schreckensmoment erlebte Christopher Albrecht an der feierlichen Wiedereröffnung der Oberkirche am 7. April 2024, als zwanzig Minuten vor Beginn des Gottesdienstes die gesamte Soundanlage inklusive Mikrophone und Liederanzeige ausstiegen. «Der Bischof war da! Es war extrem peinlich. Ich musste jedes Mikrophon manuell ansteuern und zwischen Schalttisch und Sicht auf das Geschehen hin- und herrennen.» Nur wer es gewusst habe, hätte die leichten Verzögerungen im Ton bemerkt, meint er. «Aber ich war kreidebleich und zugleich rot vor Anstrengung», sagt er und kann jetzt darüber lachen. Gelungenes und weniger Überzeugendes Neben der neuen Technik, die noch nicht in allen Details einwandfrei funktioniert, geben die neuen modernen Beichtzimmer ohne Beichtstühle zu reden. Christa Küchler und Chris Albrecht ist das Beichtzimmer in der Unterkirche zu eng. Da gefällt ihnen das geplante Beichtzimmer in der Oberkirche viel besser, allerdings sei dieses noch nicht fertig. «Es wird nicht nur ein Beichtzimmer, sondern auch ein Gemeinschaftsraum sein, in dem man zum Heiligen Antonius beten kann – der ist ja dort drin», erklärt Albrecht. Er wird den Raum dann je nach Gebrauch anders einrichten müssen. «Ich bin gespannt, wie er schliesslich genutzt werden wird.» Im Verlauf des Gesprächs ist immer wieder vom Licht die Rede. Christa Küchler und Chris Albrecht loben das Spiel mit Licht und Schatten in beiden Kirchenräumen und heben den gelungenen Lichteinfall in der Unterkirche hervor. Doch an die neue Lichtsteuerung hätten sie sich noch etwas zu gewöhnen – diese leide aktuell noch an Kinderkrankheiten. Gewisse Lampen können im Moment nicht ausgeschaltet werden. So brennt zum Beispiel im Turm und auf der Empore permanent Licht und gewisse Lampen lassen sich noch nicht wie geplant individuell regulieren. «Dafür kann ich die Lichtanlage von meinem Handy aus steuern», erzählt Chris Albrecht grinsend und demonstriert dies voller Stolz in der Marienkapelle. Das ewige Licht! In der Unterkirche beleuchtet ein Spot eine weisse Seitenwand. Fehlt hier noch ein Bild? Nein, hier habe für kurze Zeit ein Steintisch gestanden, «wunderschönes Design, im Stil eines Altars», sagt Christa Küchler. Doch leider war er ungeeignet für den vorgesehenen Zweck als Zeichentisch für Kinder. «Das war bei ein paar Dingen so: Es sieht zwar schön aus, ist aber halt einfach nicht so praktisch», ergänzt der Sakristan. Bis eine bessere Lösung für den Kindertisch gefunden ist, gibt man sich mit Sitzkissen zufrieden. Doch zurück zum «ewigen» Licht, da gebe es nämlich noch eine lustige Geschichte, bemerkt Chris Albrecht. «Lustig? Eigentlich eher traurig», widerspricht ihm Christa Küchler. Das Gehäuse des «Ewigen Lichts», das vor der Renovierung in der alten Oberkirche dauerhaft vor dem Tabernakel brannte, schlummert noch immer im Depot und fehlte deswegen auch an der feierlichen Wiedereröffnung. Dies dürfte aber zum Glück kaum jemandem aufgefallen sein. Und es soll demnächst zurückgeholt werden. Immer wieder Maria Auf die Frage, wo sich denn ihre Lieblingsstelle in den neuen Kirchenräumen befinde, müssen Christa Küchler und Christopher Albrecht nicht lange überlegen: Beide nennen die neue Marienkapelle. Hier fühlen sie sich wohl. Ihnen gefällt, dass kein Altar mehr den Platz versperrt und dass die moderne Marienstatue aus Holz so schön zur Geltung kommt. Auch die renovierten bunten Glasfenster und den Faltenwurf aus Stein – eines der neuen Werke des Künstlers Karsten Födinger in der Oberkirche – finden sie sehr gelungen. Hier kommt man zur Ruhe, da sind sich beide einig. Gutes Ende in der Unterkirche
Und wie endete eigentlich die Geschichte mit der Marienskulptur in der Unterkirche? Es dauerte noch einmal rund zwei Wochen, bis sie wieder «unter uns» war, erzählen Christa Küchler und Christopher Albrecht. Die Verkabelung des Alarms musste aus der Wand gespitzt und der Sockel neu positioniert werden, bevor Maria ihre Augen zum Kirchenvolk richten konnte. Gewisse Dinge benötigen einfach ihre Zeit. Und so wird es auch noch ein bisschen Zeit brauchen, bis sich Christa Küchler und Christopher Albrecht an alle neuen betrieblichen Abläufe gewöhnt haben. Dass die frisch renovierte Oberkirche aber bereits ihre Herzen erobert hat, ist deutlich zu spüren. Nun sind ihre Türen wieder für alle offen: Die Gemeinde Herz Jesu Wiedikon hat am Weissen Sonntag den Abschluss des Umbaus gefeiert. Besonders die neuen Farben in der frischrenovierten Kirche begeisterten die Menschen. 7. April 2024, 9 Uhr: An der Aemtlerstrasse herrscht an diesem Frühlingstag sonntägliche Morgenruhe, ausser in der Kirche Herz Jesu. Hier stimmen Musikerinnen und Musiker ihre Instrumente, der Chor beginnt mit dem Einsingen. Kantor Bardia Charaf lässt ein letztes Mal die ersten Takte des «Agnus Dei» üben – ein Forte soll es sein, das Hühnerhaut auslöst. Die Leiterin der Ministrantengruppe, Helenzy Philipp, probt mit den 18 Jungen und Mädchen den Einzug, gibt letzte Anweisungen, erste Gottesdienstbesuchende sitzen bereits auf ihren Bänken und beobachten das Treiben. Ab 9.30 Uhr füllt sich die Kirche allmählich, bis sie kurz vor 10 Uhr bis auf den letzten Platz besetzt ist. Noch gibt es keine Orgelklänge. Das grosse Instrument muss in den nächsten Wochen erst in akribischer Arbeit gestimmt werden und feiert an Pfingsten Einweihung. Organist Guido Keller begleitet darum den Einzug von 33 Personen am Flügel, der im linken Kirchenschiff steht. Nach zwei Jahren Bauzeit findet heute die Messe zum ersten Mal wieder in der Oberkirche statt. «Lobet den Herren», singt die Gemeinde, Bischof Joseph Maria Bonnemain eröffnet den Gottesdienst und segnet die Kirche ein. Nach seinem Segensgebet heben Chor und Orchester an zum Kyrie von Ludwig van Beethovens «Missa in C». Menschen sollen im Zentrum stehen Zum Sonntag nach Ostern, dem Weissen Sonntag oder dem Fest der Barmherzigkeit Gottes, gehört die Lesung aus dem Johannesevangelium (Joh. 20,19–30) mit der Geschichte von Thomas, der an der Präsenz Jesu zweifelt und ihn durch Berührung wiedererkennt. «Selig sind, die nicht sehen und doch glauben», liest Diakon Ronald Jenny mit besonderem Nachdruck. Einer der Höhepunkte des Gottesdienstes in der grundlegend sanierten und renovierten Kirche schliesslich ist die Predigt von Bischof Joseph Maria Bonnemain: «Eine neue Pfarrei besteht nicht aus einem neuen Gebäude, sondern aus den Menschen.» Der Weisse Sonntag, an dem traditionell die Erstkommunion stattfindet, stehe für den direkten Kontakt und die Vereinigung mit Christus. Der Auftrag als Gläubige in der Welt sodann sei es, das Christentum zu leben, alle Mitmenschen wertzuschätzen und zu unterstützen. «Nur Christinnen und Christen, die barmherzig sind, sind echte Christen», betont er weiter. Die Pfarrei Herz Jesu Wiedikon solle sich mit ihrer erneuerten Kirche nun «mit Schwung in alle Winkel des Quartiers öffnen», solle für alle – «ganz alle» – da sein. Viel Freude beim Apéro Schwungvoll war denn auch das Credo von Orchester und Chor, gefolgt von der Segnung des Altars und der Eucharistie sowie der Kommunion. Kurz vor 12 Uhr ziehen der Hauptzelebrant und seine acht Konzelebranten mit Lektorinnen und Ministranten aus. Im Johanneum warten ein reichhaltiger Apéro, eine Fotoausstellung zum Umbau und kurze Festansprachen auf die Festgemeinde. Kirchenpflegepräsident Peter Hüni betont die Kontinuität: «Die Kirchenbänke, auf denen wir heute sitzen, sind dieselben wie beim Neubau 1921, lediglich etwas erneuert.» Jean-Jacques Hossmann von der Kirchenstiftung sowie Baukommissionspräsident Sigmund Tur verdanken die wichtigsten Profis des grossen Umbauprojekts: die Architektinnen Nina Renner, Corinne Weber und Estelle Balet, den Bauherrenvertreter Christoph Kratzer und den Orgelspezialisten Christoph Metzler sowie die Projektkoordinatorin seitens der Pfarrei, Christa Küchler. Einladende Farben und Auftakt für Neues Und was gefällt an der neuen Kirche? Sie sei viel einladender als zuvor, die Farben seien freundlich, die Intensität des Blaus der Decke bette das Apsis-Bild von Felix Baumhauer aus den 1920er-Jahren ein, ist zu hören. Auch die blau gehaltene Marienkapelle wird als Ort der Aufgehobenheit gelobt. «Es ist schlicht das Ganze, das einen zufrieden macht», sagt Jean-Jacques Hossmann. Helenzy Philip meint: «Die Kirche lädt nun auch junge Leute wieder ein.» Und Ursula Abbt, die der Pfarrei seit Jugendjahren in vielen Ämtern verbunden ist, sagt: «So eine volle Kirche ist man sich nicht mehr gewohnt. Es wäre schön, wenn es so bleiben würde!» Auch Pfarrer Artur Czastkiewicz freut sich, dass die Eröffnungsfeier so gut besucht war. «Wir haben viele Ideen und Projekte für die neue Kirche», sagt er – und ist entschlossen, den Schwung, den die neue Kirche nun verleiht, zu nutzen. Die Kirche Herz Jesu Wiedikon hat eine Gesamtsanierung erfahren. Nach zwei Jahren Umbau ist sie nun bereit: Ihr Innenraum ist ein sinnliches Gesamtkunstwerk geworden. Ein Besuch kurz vor der Wiedereröffnung am 7. April. «Es hat sich gelohnt, diese Kirche zu renovieren!» Darin sind sich Pfarrer Artur Czastkiewicz und Sigmund Tur, Präsident der Baukommission, einig. Noch bleiben zwei Wochen bis zur Eröffnung am 7. April 2024. Beide blicken der grossen Feier freudig-nervös entgegen. Drei Jahre intensive Vorbereitungszeit und knapp zwei Jahre Bauzeit liegen hinter ihnen, mit unzähligen Sitzungen und Gesprächen, unter Beteiligung von vielen Fachleuten und engagierten Menschen aus der Gemeinde. «Ich freue mich auf die Begegnung mit den Leuten», sagt Artur Czastkiewicz. Und Sigmund Tur ergänzt: «Ich bin gespannt auf die Reaktionen! Natürlich wird es auch kritische Stimmen geben, man kann nie allen gerecht werden. Aber es wird auf jeden Fall ganz, ganz schön.» Eine Jahrhundertinvestition Kirchenaustritte, schwindende Besucherzahlen bei der Messe, weniger Katholikinnen und Katholiken: Von solchen aktuellen Tendenzen lassen sich die beiden nicht beirren. «Wir orientieren uns nicht an der Leere, sondern glauben an die Zukunft der Kirche», meint Sigmund Tur überzeugt. Rund 8 Millionen Franken hat die Renovation der Ober- und der Unterkirche gekostet, mehr als die Hälfte davon floss in unsichtbare Sanierungsmassnahmen wie Heizung, Elektroinstallationen, statische Ertüchtigung oder Sanitärarbeiten. «Die Kirche soll mit einer einladenden Seelsorge sowie kulturellen und sozialen Angeboten der heutigen Gesellschaft als ein Ort der Begegnung und des Austauschs dienen», erklärt Artur Czastkiewicz. Wenige Wochen vor der Eröffnung, trotz Kran und Menschen in Handwerkskleidern im Kirchenraum, wird spürbar: Die Zürcher Architektinnen Nina Andrea Renner und Corinne Weber vom Büro Renner Weber haben hierfür mit dem Umbau eine solide Basis geschaffen. Grosse Empore für die Musik Am feierlichen Gottesdienst zur Wiedereröffnung vom 7. April werden auf der sanierten Empore rund 80 Musiker:innen in Anwesenheit von Joseph Maria Bonnemain, dem Bischof von Chur, die C-Dur Messe von Beethovens (Op. 86) spielen. Im Zuge der Umbauarbeiten wurde die Empore vergrössert, weil man der Musik und dem Klang zukünftig besonders viel Raum geben möchte. Auch die Renovation der Orgel war Teil der Sanierungsarbeiten. Diese wird am Eröffnungsfest aber noch schweigen. Denn zuerst müssen die mehreren tausend Pfeifen gestimmt werden, was rund sechs Wochen dauert. Pünktlich zu Pfingsten werden sie die Kirche dann mit ihrem Klang erfüllen. Fliessende Skulpturen Ziel der Renovation des Kirchenraums war, ein visuelles und sinnliches Gesamtkunstwerk zu schaffen. Beim Betreten der Kirche wird sofort klar, was damit gemeint ist: Das dominante Apsisbild des deutschen Künstlers Felix Baumhauer (1876–1960), das bereits zum Zeitpunkt seiner Entstehung 1924 nicht unumstritten war, fügt sich sehr harmonisch in den Kirchenraum ein. Die Architektinnen nahmen in ihrem Farbkonzept die im Gemälde dominierenden Farben auf und zogen sie in den Raum hinein. Die Seitenwände tauchten sie in ein warmes Rosa, die Holzdecke liessen sie blau streichen. Ein weiterer wichtiger Bestandteil sind die vom Künstler Karsten Födinger geschaffenen Sandsteinskulpturen, die aus den Mauern herauszufliessen scheinen. Sie erinnern an Gewandfalten und strahlen durch ihre kraftvolle Natürlichkeit eine spirituelle Ruhe aus. Zwei davon befinden sich im rechten und eine im linken Seitenschiff, eine ist in der Marienkapelle und eine draussen auf dem Kapellendach platziert. Keine Eventhalle Sigmund Tur erzählt mit glänzenden Augen von den sternenähnlichen Lämpchen an der Decke und den Scheinwerfern, die je nach liturgischem Thema erlauben werden, die Figuren des Apsisgemäldes in Szene zu setzen. Multimedial ist die neue Kirche! Eine fix installierte Leinwand und ein Beamer werden künftig das Übertragen von Messen in Altersheime und Spitäler, aber auch Projektionen von Bild- und Filmmaterial vor Ort möglich machen. Ist die moderne Kirche eine Eventhalle? Artur Czastkiewicz verneint dezidiert: «Wir sind nach wie vor eine Kirche. Wir wollen die emotionale, sinnliche Komponente des Katholischen erhalten. Aber der Umbau hat Orte und neue Möglichkeiten für unterschiedliche Bedürfnisse geschaffen. Der Taufstein, die Marienkapelle, die Kinderecke, der Beichtraum, der Kreuzweg – es hat vieles Platz, auch nebeneinander.» Ein Ort für zeitgemässes Beichten Artur Czastkiewicz betont, wie wichtig ihm die Offenheit in der Tradition von Herz Jesu Wiedikon ist, auch gegenüber anderen Glaubensrichtungen. Dies widerspiegelt nicht zuletzt auch das neue Beichtzimmer. Sich in einer Kabine hinzuknien und durch ein Gitter zu beichten, sei nicht mehr zeitgemäss, findet Sigmund Tur. Die Menschen suchten heute Gespräche mit jemanden, der zuhören könne, ohne sich Notizen zu machen. «Sie suchen eine persönliche Beratung, Reflexion übers Leben, Versöhnung oder möchten etwas loslassen...» Der neue Beichtraum will diesen Bedürfnissen gerecht werden und schafft eine intime und doch transparente Atmosphäre. Die Personen sitzen sich in einem abgetrennten Raum innerhalb der Kirche auf Augenhöhe gegenüber und haben zugleich Bezug zur Aussenwelt. Wer vorbeigeht, sieht durch das Milchglas, ob der Raum besetzt ist, ohne dabei die Gesichter zu erkennen. Geborgenheit in der Kapelle Auch die umgebaute Marienkapelle wird einem aktuellen Bedürfnis gerecht und ermöglicht Ruhe, Einkehr und Meditation. «Hier soll es sich anfühlen wie im Mutterschoss», erklärt Sigmund Tur. Die Kapelle strahlt in einem kräftigen Marienblau und ist mit einer Marienstatue, bequemen Bänken und einer Kerze schlicht eingerichtet. Der kunstvolle Faltenwurf aus Sandstein in der Höhe schafft eine spirituelle Verbindung zum Göttlichen. Was während der Renovierungsphase immer wieder zu reden gegeben hat, ist der Kreuzweg. Ist dieser noch zeitgemäss? In der neuen Kirche wird er mit 14 kleinen Kreuzen, die fein in den Putz eingeritzt wurden, dezent gehalten. Die Verantwortlichen wollen beobachten, wie er zukünftig gelebt wird – und dann vielleicht darauf reagieren. «Es ist wie bei den Lampen, wenn man in eine neue Wohnung zieht: Ich merke erst im Alltag, wo ich noch Licht brauche», erklärt Sigmund Tur. Und das gilt ein Stück weit für die ganze Kirche: Es wird sich zeigen, wie sie in Zukunft genutzt und was es vielleicht ergänzend noch brauchen wird. Letzte Tage vor der Eröffnung Noch bleibt etwas Zeit bis zur Eröffnung. «Natürlich sind wir etwas gestresst, so ein Umbau ist eine riesengrosse Herausforderung», geben die beiden zu. Ob sie zuversichtlich seien, dass alles rechtzeitig fertig werde? «Wunder passieren», scherzt Artur Czastkiewicz und man spürt förmlich seine Zuversicht und Vorfreude. |
Archiv
September 2024
Kategorie
|