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Der Gnadenstuhl von Wiedikon

28/8/2021

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Wer die Kirche Herz Jesu Wiedikon betritt, kommt nicht umhin, das Apsisbild zu betrachten. Bei seiner Entstehung in den 1920er-Jahren wurde darüber gestritten – und noch heute regt es zur Reflexion an. Teil 1 der Betrachtung des Apisbildes.

Von Stefanie Faccani, Kunsthistorikerin lic. phil. und Katechetin
Vor 50 Jahren, zum 50-Jahr-Jubiläum der Pfarrei Herz Jesu Wiedikon, entstand eine Festschrift. Das Apsisbild des deutschen Künstlers Felix Baumhauer (1876–1960) in der Kirche – damals existierte nur die Oberkirche – sei am 16. August 1925 eingesegnet worden. Dies durch einen feierlichen Gottesdienst mit Festpredigt von P. Dr. Magnus Künzle, einem gefeierten Kunstästhetiker.
Da steht aber auch diese pikante Information: In den ersten Tagen habe Pfarrer Zanetti von St. Peter und Paul mit der Unterstützung des damaligen Bischofs von Chur, Georgius Schmid von Grüneck, das frisch gemalte Apsisbild mit einer Kopie der sogenannten «Disputa» von Raffael (1483–1520) übermalen lassen wollen. Gehindert daran haben ihn aber der damalige Pfarrer in Herz Jesu Wiedikon, Christian Herrmann, und gleichgesinnte Mitbrüder. «Wer über Ihr Kirchengemälde die Nase rümpft, beweist damit nur, dass er von Kunst nichts versteht», soll Pfarrer Herrmann gesagt haben – nach den Worten des katholisch-konservativen Nationalrats Georg Baumberger.
Ein altchristliches Mosaik?
Ebenfalls nahm Jesuit und Kunstkritiker Josef Kreitmaier (1874–1946) in den katholischen «Zürcher Nachrichten» zum Wiedikoner Apsisbild Stellung: «Es ist durchaus zu verstehen, dass der in Kunstdingen wenig erfahrene und an die üblichen Kirchenmalereien gewöhnte Beschauer vorerst noch kein rechtes Verständnis für diese im besten Sinn moderne Schöpfung gewinnen kann. Wer ‹schöne› Figuren über ausdrucksstarke stellt, wer sich noch nicht in die tiefe Mystik altchristlicher Mosaiken und Malereien versenkt hat, wer eine glatte, in allen Einzelteilen aus der Naturanschauung gewonnene und farbig laute Malerei einer diskreten, nur aufs wesentliche Geistige lossteuernde, aus Naturverklärung und Naturerhöhung gezeugten vorzieht, wer von einem Wandbild an Stilisierung und verdichteter Form nicht mehr verlangt als von einem Tafelbild, wird erst den guten Willen aufbringen müssen, sein enges Kunstideal zu erweitern und zu vertiefen. […]» 
Lieber Baumhauer als Raffael
Die Malerei in der Apsis von Herz Jesu Wiedikon von Felix Baumhauer war also in ihrer Entstehungszeit sehr umstritten. Was ist aus kunsthistorischer Sicht dazu zu sagen? Es ist ein Gewinn, dass keine Kopie des Bildes Disputa von Raffael, durch einen Flachmaler ausgeführt, in der Apsis der Oberkirche von Herz Jesu zu sehen ist, sondern eben das Bild von Baumhauer. Das Bild des italienischen Renaissance-Künstlers Raffael war in Rom entstanden in einem Raum, der eventuell für die päpstliche Bibliothek geplant war. Er diente als Sitzungszimmer für die päpstliche Rechtskommission und gehört heute zu den Vatikanischen Museen.
Raffael malte die Apsiswölbung illusionistisch – das Fresko ist also nicht in eine Apsis wie derjenigen in Wiedikon eingefügt worden. Nicht nur technisch waren die Voraussetzungen für die ursprüngliche «Disputa» ganz verschieden von denjenigen für die Apsismalerei in Herz Jesu Wiedikon: Die «Disputa» entstand 1509/10 – einer theologisch und geistesgeschichtlich ganz anderen Zeit.

Zeitgenössische Kunst
1921 wurde mit Felix Baumhauer ein damals namhafter zeitgenössischer deutscher Künstler für das Apsisbild in Herz Jesu engagiert, und es ist bis heute, 2021, erhalten geblieben. Dieses Apsisbild war ursprünglich Teil eines bildnerischen Gesamtkonzepts Baumhauers, zu dem die Chorwand, der Chorbogen, die Seitenwände und die Fensterbilder gehörten.
Im Zuge der Renovation in den 1960er-Jahren sind nur das Apsisbild und die Fensterbilder erhalten geblieben und die Fensterbilder sind nicht mehr in der ursprünglichen Anordnung. Die Fensterbilder, die sich am nächsten zur Apsis befinden, beim Sakramentsaltar und beim Taufbecken, wurden zur Zeit der Renovation vom Schweizer Maler Ferdinand Gehr (1896–1996) gestaltet und sprechen eine eigene Sprache, losgelöst vom Bildprogramm von Felix Baumhauer. 
Ein kunsthistorischer Blick auf das Bild
Heute zeigt sich uns das Apsisbild, ein eigentliches Teilstück, als einzelnes Bild der christlichen Dreifaltigkeit. Darauf zu sehen sind Gottvater, Jesus Christus am Kreuz und eine weisse Taube, Zeichen für den Heiligen Geist. Baumhauer knüpfte mit dieser Darstellung an eine traditionsreiche Bildsprache an. Ausgehend von der Taufszene entwickelte sich seit dem 8. Jahrhundert das Bild von Maria und dem Kind mit der Hand Gottes, des segnenden Vaters, und der Taube als Symbol für den Heiligen Geist. Um 1000 veränderte sich das Bild des Kindes zum Bild des gekreuzigten Jesus Christus. Ab dem 12. Jahrhundert wird Gottvater auch als «Vaterunser», unser aller Vater, als bärtiger alter Mann, dargestellt. Seit dem 13. Jahrhundert erscheint Gottvater als trauernder Vater. Im 15. Jahrhundert ist der Nimbus Gottvaters häufig dreieckig. Das Dreieck ist seit dem 4. Jahrhundert von Augustinus als Zeichen der Dreifaltigkeit bezeugt.
Martin Luther (1483–1546) fand zum Bildtypus, wie er in Wiedikon zu sehen ist, einen bis heute prägenden Namen: Gnadenstuhl. Luther stützte sich mit seiner Wortfindung auf den Hebräerbrief in der Bibel (Hebr 4,16). Auch die von Baumhauer gezeigten dienenden Wesen finden sich im Hebräerbrief als «Cherubim», als Engel, erwähnt (Hebr 9) und die feurigen, sechsflügeligen Wesen könnten die im Buch Jesaja in der Bibel (Jes 6, 1-7) erwähnten «Seraphim» sein, ebenfalls Engel.

Komposition zeugt von tiefer Kenntnis
Am Fuss des Kreuzes malte Felix Baumhauer Figuren, die in der Bibel erwähnt sind, und solche, die zu späterer Zeit lebten. Pfarrer Guido Kolb (1928–2007), Pfarrer in Herz Jesu Wiedikon 1997/98, beschrieb sie so (v.l.n.r.): Johannes der Täufer, Margareta Maria Alacoque (1647-1690, Begründerin der Herz-Jesu-Verehrung), Salome (Mutter von Jakobus und Johannes), Maria (Mutter von Jesus), römischer Hauptmann, Maria Magdalena, Johannes, Josef von Arimathäa, Franziskus von Assisi (1181/2–1226), Maria (Mutter von Jakobus dem Jüngeren).
So erzählt das Apsisbild von Felix Baumhauers tiefer Kenntnis des christlich katholischen Glaubensverständnisses und der Kirche Herz Jesu Wiedikon. Daran können wir heute noch teilhaben.
Hier geht es zu Teil 2 der Betrachtung des Apsisbildes.
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