Schon mehr als ein halbes Jahrhundert ist es her, seit die Kirche Herz Jesu Wiedikon umfassend renoviert worden ist. Inzwischen zeigen sich verschiedene Alterserscheinungen und die Bedürfnisse der Gemeinde haben sich gewandelt. Ab Sommer 2022 und bis Herbst 2023 finden daher Renovierungsarbeiten in der Unter- und Oberkirche statt. Was sind die Massnahmen und warum sind sie wichtig? Ein Gespräch mit vier Mitgliedern der sechsköpfigen Baukommission. Wer heute ein Kirchengebäude umfassend renoviert, glaubt an die Botschaft der Kirche. Was bedeutet das in Bezug auf Herz Jesu Wiedikon? Sigmund Tur (ST): Unsere Kirche soll Platz für alle bieten und muss für diverse Zwecke genutzt werden können. Sie soll Heimat für Menschen sein. Eine Kirche ist ein Ort für verschiedene Riten, also für Messen, aber auch für Meditation, Familiengottesdienste, Wortgottesdienste, Kulturanlässe oder Lesungen. Katharina Böhmer (KB): Der Kirchenraum ist ein spiritueller Ort – und soll es auch für die nächsten Jahrzehnte bleiben. Ronald Jenny (RJ): Natürlich ist der grosse Teil der Nutzungen traditionell christlich und es finden Gottesdienste statt – auf Deutsch, Polnisch oder Tamilisch. Für mich sind aber auch die Interreligiosität und der interreligiöse Dialog zentral. Wie kann Kirchenraum heute offen sein für alle? Wie können Christen, Christinnen und Buddhisten, Buddhistinnen zusammen sprechen, beten und feiern? Jean-Jacques Hossmann (JJH): Es gibt aber auch sehr praktische Gründe für die Sanierung, so die Statik des Dachstuhls, die Wasserdichte des Dachs und die Heizung! Die Renovationsvorhaben gehen aber weit über die notwendigen Sanierungen hinaus. JJH: Wichtig bei Projekten dieser Art ist: Entweder wir machen es richtig oder gar nicht. Schliesslich bauen wir für die nächsten Generationen! ST: Der letzte Umbau liegt 54 Jahre zurück und wir haben in der Baukommission seit Ende 2018 daher umfassend über nötige Massnahmen nachgedacht und gesprochen. Dazu gehörten Diskussionen mit der Seelsorge, aber auch mit allen Nutzenden, mit der Basis. KB: Es galt also, sowohl theologische und liturgische Fragen zu beantworten als auch ganz praktische. Die Baukommission für die Renovation der Kirche Herz Jesu Wiedikon 2022/23 besteht aus sechs Personen: Sigmund Tur (Präsident) und Markus Walker von der Kirchenpflege, Jean-Jacques Hossmann und Katharina Böhmer aus der Stiftung Herz Jesu Kirche, Ronald Jenny und Artur Czastkiewicz aus dem Seelsorge-Team. Die Baukommission wurde 2018 auf Anregung der Kirchenpflege eingesetzt. Inzwischen steht fest: In der Oberkirche braucht es ein neues Licht- und Farbkonzept, eine Renovation der Orgel, die Umgestaltung der Marienkapelle, der Beichtstühle und des Kreuzweges. In der Unterkirche soll unter anderem die Beleuchtung modernisiert werden und die Zugänge werden neu gestaltet. Wie hat die Baukommission diese Vorgaben erarbeitet? KB: Als Schriftenführerin kann ich sagen: Wir haben einen ganzen Berg Papier produziert (lacht). Zu Beginn, ab Ende 2018, trafen wir uns alle zwei Wochen zu einer Sitzung. Die Vorbereitung des Massnahmenkatalogs und das Planerwahlverfahren 2019/20 waren sehr aufwändig. Mittlerweile sehen wir uns ungefähr einmal monatlich. ST: Wir setzten uns also vertieft mit den einzelnen Punkten auseinander. RJ: Sehr gut zeigt dies der Kreuzweg. Erst wollten wir diesen ganz abschaffen, da er in unseren Schweizer Messen nicht mehr wichtig ist... KB: Doch wir merkten, dass wir die Bedürfnisse der Missionen unbedingt mitbedenken müssen. Sie nutzen den Kirchenraum intensiv und liefern uns damit auch eine Legitimation für eine grosse Renovation. ST: An einem Sonntag besuchen bis zu 1200 Polinnen und Polen die Messen in unserer Kirche! RJ: Und für die Polenmission wiederum ist der Kreuzweg wichtig. Wir sind über diverse Stufen nun zu einer Überlegung für die Gestaltung gelangt, die mir sehr gefällt: Die Stationen könnten durch schlichte, unterschiedlich gestaltete Kreuze angezeigt werden. Auch bei den Beichtstühlen gab es viel zu bedenken und zu diskutieren. Schweizerinnen und Schweizer brauchen sie nunmehr selten. Doch polnische Katholikinnen und Katholiken gehen vor der Messe beichten. Auch hier haben wir inzwischen eine gute Lösung gefunden. ST: Wir werden das schönste Beichtzimmer nördlich der Alpen haben (lacht)! Die Marienkapelle wird durch die Umgestaltung durch umlaufende, gepolsterte Bänke ebenfalls viel gewinnen, weiterhin aber ein Ort für die persönliche Andacht bleiben. Man soll sich hier wohl fühlen: wie im Mutterschoss. RJ: Die Marienkapelle ist der begehrteste Ort in unserer Kirche. Wenn ich um zehn Uhr morgens jeweils einen kurzen Blick in die Kirche werfe, brennen da manchmal fünf, manchmal aber bereits zwanzig Kerzen. So viele Leute kommen hier vorbei für ein kurzes stilles Gebet. Für einen so vielfältigen Umbau braucht es eine gute Zusammenarbeit mit Fachleuten! KB: Ja, genau. Das Planerwahlverfahren hat eine Gruppe von vier Architektinnen gewonnen. Sie haben den Auftrag erhalten und die Zusammenarbeit mit ihnen ist hervorragend. ST: Die Architektinnen setzen sich intensiv mit dem Kirchenbau und dessen Geschichte auseinander. Die Renovation der denkmalgeschützten Orgel etwa braucht besonders viel Wissen und Fingerspitzengefühl. Das wird sich am Schluss in der Qualität des Umbaus äussern. RJ: Unser Bauherrenvertreter Christoph Kratzer ist zudem eine ganz wichtige Stütze für die Baukommission. JJH: Wir haben bereits beim Bau des Johanneums mit ihm zusammengearbeitet und ihn sehr geschätzt. An Weihnachten 2023 kann die Gemeinde voraussichtlich die Wiedereröffnung der Oberkirche feiern. Worauf freuen sich die Mitglieder der Baukommission?
KB: Auf den Gesamteindruck insgesamt! Ich bin gespannt, wie alle Massnahmen umgesetzt wirken werden. JJH: Unsere Arbeit hier ist sehr interessant und spannend. Trotzdem wird es eine Erleichterung sein, wenn wir sie beenden können. Es wird garantiert eine gute Sache! RJ: Ich freue mich auf die Eröffnungsfeier. Doch bis dahin gibt es noch einiges an Arbeit. Nicht alles geht so, wie ich es will (lacht). Wir müssen auch bescheiden sein, können nicht unendlich Geld ausgeben und alles wünschen. Ich bin mir aber sicher: Es kommt gut! ST: Am meisten freue ich mich auf das Gesamtkunstwerk aus Visuellem und Klanglichem. Die neue Orgel wird bombastisch sein! Im Chor singe ich häufig auf der Empore – hoffentlich auch an Weihnachten 2023. Ich wünsche mir, dass dem Publikum das Wasser in die Augen schiesst und dass ich stolz sein kann, meinen Teil dazu beigetragen zu haben.
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